November ist es geworden und das Jahr neigt sich unaufhaltsam dem Ende zu. Nachdem der beginnende Herbst der durstenden Erde endlich wieder Wasser spendete und die Pflanzenwelt noch einmal kräftig grünte wie im Frühjahr, fallen jetzt leise die gelben Blätter, und plötzlich ragen wieder kahle Äste in die Himmel. Wie in jedem Jahr wieder erlebte ich intensiv die Schwelle des unaufhaltsamen Vergehens und die Sinnlosigkeit jeglichen Widerstands gegen das große Sterben. Die Natur unserer gemäßigten Breiten lehrt uns inmnmer wieder aufs Neue diesen initiatischen Kreislauf von geboren werden, heranwachsen, entfalten, blühen, reifen und absterben. Diese Naturgesetze sind Gesetze des Lebens. Und wir sind Natur.
Warum also fällt es uns so schwer, diese Gesetze anzuerkennen? Warum trachtet der Mensch danach, die Naturgesetze zu überwinden? Sich frei zu machen von der großen Mutter, von der urweiblichen Kraft der Erde und ihrer Kreisläufe?
Für mich ist das Ausdruck der andauernden Verleugnung der weiblichen Kraft
- des immer noch alles dominierenden Patriarchats in unserer globalen Kultur. Viel wird ja über die Erfolge der Emanzipation geschrieben, über Gleichstellungsgesetze und Frauenquoten und weibliche Politikerinnen, Konzern-Führerinnen und von Frauen geführten Revolutionen diverser Art. Aber - wo blühen wirklich weibliche Werte? Wo wertschätzen wir zyklisches Denken, nährendes Verhalten, Schutz der Kinder, die Kraft von Gefühl und Intuition? Wo ist das wirklich Neue, das weibliche in der globalen Führungslandschaft?
Jeder und jede soll sich entfalten können nach Gusto, soll den innewohnbenden heiligen Traum der Seele entfalten dürfen, ganz wie er/sie sich das erträumt, der Berufung folgen, die die Be-Gab-ungen, das Mit-Gegebene in den Dienst der Gemeinschaft stellt und zugleich die größte Selbst-Befriedigung, die meiste Freude im Tun ermöglicht. Das ist die Freiheit, die Gesellschaften ihren Menschen ermöglichen müssen.
Aber ist diese vermeintliche Emanzipation wirklich mehr als das Öffnen männlicher Domänen für Frauen? Etwas anderes als ein Stück des männlichen Kuchens, der Frauen abgegeben wird? Erleben wir wirklich mehr weibliche Qualitäten, mehr weibliche Werte in unserer Gesellschaft? Weniger Militarismus und Kriege, weniger Raubbau und Zerstörung an Mutter Erde, mehr Miteinander und Solidarität, weniger "immer mehr" und mehr "auch mal weniger" - freiwillig meine ich, aus Erkenntnis der Zyklen und Naturgesetzmäßigkeiten von Mutter Erde, unserer großen Mutter und Lehrerin der urweiblichen Kraft?
Jetzt kommt der Herbst in unsere Gesellschaft, genau so unausweichlich wie draußen der Nomberregen. Und viele jammern und haben Angst - als wenn wir wirklich geglaubt hätten, der Sommer würde ewig dauern! Ja, auch in mir fliegt das jedes Jahr wieder vorbei - "oh wenn doch ewig Sommer wäre"... doch auch der erholsame Herbsturlaub im Süden hält das Weiterdrehen des großen Lebensrads nicht auf.
Die weibliche Kraft ist zyklisch - geboren zu werden und dabei gleichzeitig das Sterben, den Tod mit auf den Weg zu bekommen ist auf immer verbunden, ist eins.
Doch wer mit offenen Augen durch die Natur spaziert, erkennt schon jetzt an den Stellen, wo sich die Blätter von den Zweigen lösen, die Knospen für das neue Leben nach dem Winter. Im Tod ist Leben - alles ist verbunden.
:-)
Mit Segen für dein Leben
Gerhard WalkingMirror